“Alles ist poetisch, verinnerlicht, stilvoll”, schrieb die Financial Times über
Seong-Jin Chos Deutsche-Grammophon-Aufnahme mit den
24 Preludes op. 28 von Chopin, während der Guardian “die Zurückhaltung und feinsinnige Differenzierung von Chos Spiel” lobte und voller Anerkennung feststellte, dass er “keinerlei Effekthascherei” betreibe und es ihm “nur um die Musik” gehe. Um die Musik geht es im Leben des 22-jährigen Koreaners bereits seit seiner Kindheit. Mit sechs Jahren begann der 1994 in Seoul geborene Pianist mit dem Klavierspiel, und bereits als Elfjähriger hatte er seinen ersten öffentlichen Auftritt. 2008 gewann er in Moskau den 6. Internationalen Chopin-Wettbewerb für Nachwuchspianisten, im Folgejahr wurde Seong-Jin Cho mit 15 Jahren der jüngste Gewinner in der Geschichte des Internationalen Hamamatsu-Klavierwettbewerbs in Japan.
Poesie und Innigkeit: Seong-Jin Cho
Die bedeutendste Auszeichnung erhielt Cho jedoch im Oktober 2015: den ersten Preis beim berühmten Warschauer Chopin-Wettbewerb. Die Werke des polnischen Komponisten haben für ihn einen hohen Stellenwert “Chopins Musik erzählt uns so viel über das Menschsein und spricht direkt das Herz an.” Vorherige Gewinner des Chopin-Wettbewerbs waren unter anderem angesehene Klaviergrößen wie
Martha Argerich,
Maurizio Pollini und
Yundi.
Bereits zwei Wochen nach dem Chopin-Wettbewerb 2015 veröffentlichte die
Deutsche Grammophon das erste
Solo-Album des jungen Pianisten mit
Live-Aufnahmen aus der Warschauer Philharmonie, nun erscheint am 25. November 2016 die allererste Studioplatte des 22-jährigen Koreaners, wiederum mit Werken von
Frédéric Chopins. Cho präsentiert sich hierauf mit dem ersten Klavierkonzert – begleitet vom erstklassigen London Symphony Orchestra unter
Gianandrea Noseda – sowie den vier Balladen des polnischen Meisters.
Kantables und polnische Tanzrhythmen
Das erste Klavierkonzert von Chopin bringt der junge Meisterpianist mit exquisit-schönemTon zum Klingen. Im ersten Satz intoniert er die Themen mit hohem Sinn für kantable Linienführung, während seine Darstellung des langsamen Satzes durch zarte Poesie und Farbenreichtum besticht. Der dritte Satz, ein Rondo, basiert auf dem synkopischen Rhythmus des polnischen Volkstanzes Krakowiak. Seong-Jin Cho arbeitet diesen tänzerischen Charakter so plastisch heraus, dass man sich unversehens auf einer polnischen Bauernhochzeit wiederzufinden glaubt.
Pastorale und Ritterschlacht
In Chopins erster Ballade g-Moll sieht sich der Interpret mit einer Vielzahl musikalischer Charaktere auf engem Raum konfrontiert. Cho trifft hier stets den richtigen Ton: Die Largo-Einleitung gestaltet er gewichtig, das Hauptthema natürlich-fließend, und die dramatische Coda, die in ihrer turbulenten Bewegtheit an eine historische Ritterschlacht erinnert, nimmt er mit packender Direktheit, jedoch ohne Gewalt. Mit pastoraler Schlichtheit intoniert er die Einleitung der zweiten Ballade, während er Ballade Nr. 3 mit wunderbaren dramatischen Steigerungen versieht. Chopins vierte Ballade ist bei vielen Pianisten gefürchtet, da sie zum einen sehr weitschweifig komponiert ist und zum anderen mit einer teuflisch schweren Coda schließt, in der das gesamte Stück kulminiert. Cho hält die Spannung hier bis zum Schluss und zeigt in der hochsouverän bewältigten Coda, dass ihn auch pianistisch maximal fordernde Passagen nicht aus der Ruhe bringen.