Wer dieses Orchester dirigieren darf, kann sich glücklich schätzen. Er ist erwählt worden, und das gilt im wahrsten Sinne des Wortes. Bei den Wiener Philharmonikern wählen die Musiker ihren Dirigenten, und die überlegen sich sehr genau, wer zu ihnen passt.
Große Dirigenten
Damit ist garantiert, dass die exzellenten Musiker des Orchesters auch wirklich mit dem Dirigenten zusammenarbeiten wollen, der vor ihnen steht. Sie bekommen ihn nicht aufgedrückt. Sie haben ihre Entscheidung selbst gefällt und sehen der Zusammenarbeit mit Freude entgegen. Diese Musizierfreude spürt man. Man kann sie bei ihren Live-Auftritten sehen, und in ihren zahllosen Referenzaufnahmen überträgt sie sich unmittelbar auf den Hörer. Es ist ein Glück, dieses Orchester spielen zu hören, und manche können von diesem satten Klang gar nicht genug bekommen.
Das gilt nicht nur für das Publikum, sondern auch für Generationen großer Dirigenten, die wussten, was sie an dem Orchester hatten. Allen voran Karl Böhm, der die Wiener Philharmoniker mit seiner leidenschaftlichen Akribie maßgeblich geprägt hat, oder Lorin Maazel, der mit kaum einem anderen Orchester der Welt so tief in die romantische Klangkunst des 19. Jahrhunderts eindrang. Größen wie George Szell oder Claudio Abbado forderten das Orchester musikalisch heraus, der forsche Austroamerikaner mit seiner unerbittlichen Strenge und der italienische Maestro mit seiner diskreten Modernität.
Wiener Charme
Die Ergebnisse sprechen für sich. Das Orchester hat über einen langen Zeitraum seinen Eigensinn bewahrt, setzte aber mit seinen in Temperament und Klangvorstellung höchst unterschiedlichen Dirigenten zugleich immer wieder neue Akzente. Das Album „Wiener Philharmoniker – Klassische Ouvertüren“ zeugt von dieser Klangvielfalt. Zwar hört man den volltönenden Eigenklang der Wiener Philharmoniker stets heraus, zugleich zeigt sich das Orchester aber bei unterschiedlichen Dirigenten erstaunlich manövrierfähig.
Bei den Ouvertüren von Mozart, Beethoven und Schubert bewegen sich die Wiener Philharmoniker auf ureigenem Terrain. Diese Komponisten verkörpern geradezu das musikalische Wien, und der besondere Geschmack dieser Welt vermittelt sich eindrucksvoll in ihren Ouvertüren. Es ist, als ob man in eine ferne Welt entführt wird, in der feierliche Gesten, tänzerische Sicherheit und großes Gefühl zu den selbstverständlichsten Bestandteilen des Lebens zählen.
Klassische Aufnahmen
Das Album beginnt mit den ideenreichen und kurzweiligen Ouvertüren von Mozart, als da wären: „Die Zauberflöte“ (Karl Böhm), „Don Giovanni“ (Josef Krips), „Così fan tutte“ (Karl Böhm), „Le nozze di Figaro“ (Erich Kleiber) und „Idomeneo“ (Sir John Pritchard). Man kennt diese Ouvertüren mit ihren phantastischen Melodien und ihrer enormen Dynamik. Sie zeigen Mozart als einen begnadeten Opernkomponisten, der genau wusste, wie er sein Publikum auf das Bühnengeschehen einstimmt. Weiter geht es mit drei Ouvertüren von Beethoven: „Fidelio“ (Lorin Maazel), „Egmont“ (George Szell) und „Coriolan“ (Claudio Abbado).
Lorin Maazel und George Szell arbeiten in aller Entschiedenheit das heroische und dramatische Moment bei Beethoven heraus, während Claudio Abbado vor allem die elektrisierende Dynamik des romantischen Komponisten und seine berückend schönen Harmonien zum Vorschein bringt. Schließlich bietet das Album drei bedeutende Ouvertüren von Schubert:
„Die Zauberharfe“ (Hans Schmidt-Isserstedt),
„Ouvertüre im italienischem Stil“ (István Kertész) und
„Des Teufels Lustschloß“ (István Kertész). Hier geht es dann etwas lyrischer, stiller und geheimnisumwitterter zu, wenn auch keinesfalls weniger leidenschaftlich als bei Beethoven.